Analyse der Vorlageentscheidung des LG München I zum EuGH in MMR 2015, 85

Mit Beschluss vom 18.9.2014 hat das LG München I mittels Vorlagebeschluss dem EuGH verschiedene Fragen zur Haftung des Betreibers eines gewerblichen WLANs dem EuGH vorgelegt (LG München I, Beschluss vom 18.09.2014 – 7 O 14719/12; Volltext hier).

Die Entscheidung des LG München I ist hier im Blog schon kurz diskutiert worden. Nun ist in der Zeitschrift MMR unser Aufsatz mit dem Titel „Verantwortlichkeit des Access-Providers auf dem europäischen Prüfstand – Neun Fragen an den EuGH zu Haftungsprivilegierung, Unterlassungsanspruch und Prüfpflichten des WLAN-Betreibers“ erschienen, in dem die Analyse vertieft und die Rahmenbedingungen der Entscheidung des EuGH dargelegt werden (MMR 2015, S. 85 ff. – Heft 2/2015).

Aus dem Beitrag:

Das LG München I hat über einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Verantwortlichkeit für einen öffentlichen WLAN-Hotspot geht. Mit Beschluss v. 18.9.2014 hat das LG nun dem EuGH neun Fragen vorgelegt (MMR 2014, 772), deren Beantwortung wesentliche Auswirkungen auf die Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der Störerhaftung haben wird. Inhaltlich und von der Bedeutung her betrifft die Entscheidung nicht nur die Prüfungs- und Überwachungspflichten des Betreibers eines WLAN-Hotspots, sondern stellt auch das Verhältnis der Haftungsprivilegierung nach dem Telemediengesetz einerseits und hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs andererseits auf den Prüfstand. Der nachfolgende Beitrag stellt die Vorlagefragen sowie die zu Grunde liegende nationale Rechtsprechung dar und geht diesen nach.
I. Hintergrund
Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Verbreitung von öffentlichen WLAN-Hotspots in Deutschland eher gering. zur Fussnote 1 Als Hemmnis für den Ausbau werden immer wieder die bestehende Rechtslage, insbesondere die Frage der Verantwortlichkeit sowie die regulatorischen Pflichten angeführt. Folgerichtig hat die derzeitige Bundesregierung im Rahmen ihres Koalitionsvertrags festgehalten, dass eine Klarstellung zu den Haftungsregelungen für WLAN-Hotspots dringend geboten sei. Nachdem es nicht zu dem noch für August 2014 von der Bundesregierung angekündigten Gesetzesentwurf gekommen ist, wurde die Opposition aktiv und legte im November 2014 einen eigenen Entwurf vor. Obwohl seitens der CDU auf ihrem Parteitag Anfang Dezember 2014 noch einmal beschlossen wurde, dass die Haftungsrisiken in Form der „Störerhaftung” für gewerbliche und nicht-gewerbliche WLAN-Betreiber abzubauen seien, liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf bisher nicht vor.

Auf europäischer Ebene ist die Frage der Verantwortlichkeit des WLAN-Betreibers von eher untergeordneter Bedeutung. Gleichwohl hat sich die EU-Kommission ausdrücklich zu WLAN bekannt („Europe loves Wi-Fi”). Wie der Entwurf der Telecom Single Market-Verordnung zeigt, stehen im Fokus jedoch primär der Abbau regulatorischer Hemmnisse und die Sicherstellung der Realisierung (z.B. durch Aggregation von Endkundenanschlüssen, also die Zulässigkeit des WLAN-Sharing bei typischen Endkundenanschlüssen).

Nun könnte der nationale Wunsch, die Frage der Verantwortlichkeit des WLAN-Betreibers klarzustellen, durch die Vorlage des LG München I an den EuGH hinfällig werden. Der EuGH soll für einen nicht-kommerziellen WLAN-Hotspot klären, welche Anforderungen an die Diensteanbietereigenschaft zu stellen sind, wann von einem Anbieten i.S.d. Legaldefinition nach Art. 2 lit. b der sog. E-Commerce-Richtlinie (ECRL) auszugehen ist und wann ein Fall der Zugangsvermittlung vorliegt, damit die Privilegierung des Art. 12 ECRL bzw. § 8 TMG zur Anwendung kommt. …

 

AG Charlottenburg bejaht Privilegierung nach § 8 TMG bei Freifunk-WLAN

Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Beschluss 17.12.2014 (Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO) die Haftung des Betreibers eines öffentlichen (Freifunk-)WLAN-Hotspots für die Handlungen seiner Nutzer abgelehnt (AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 121/14).

Damit ist es dem AG Hamburg (Urt. v. 10.6.2014 – 25b C 431/13 und Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13), das sich mit WLAN-Hotspots in vermieteten Ferienwohnungen befasst hatte, gefolgt. Eine ähnliche Auffassung hat kürzlich auch das LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166) vertreten, aber dann die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (dazu Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Die Rechtsprechung vollzieht offenbar langsam die absolut herrschende Auffassung in der Literatur nach, dass die Privilegierung des § 8 TMG auf WLANs Anwendung findet (dazu Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 211 ff. m.w.N.).

Eine weitere Analyse finden Sie bei Offene Netze und Recht.

Beschluss des AG Charlottenburg im Volltext

LG München I legt Fragen zur Haftung bei gewerblichen WLANs dem EuGH zur Entscheidung vor

Mit Beschluss vom 18.9.2014 hat das LG München I mittels Vorlagebeschluss dem EuGH verschiedene Fragen zur Haftung des Betreibers eines gewerblichen WLANs dem EuGH vorgelegt (LG München I, Beschluss vom 18.09.2014 – 7 O 14719/12; Volltext hier). Grund hierfür ist, dass die in Rede stehenden Haftungsprivilegierungen in §§ 8-10 TMG (Telemediengesetz) auf Art. 12-15 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG beruhen. Wenn es also Auslegungsprobleme gibt, die auch die zu Grunde liegende Richtlinie betreffen, kann bzw. muss der EuGH über die Auslegung entscheiden.

Insgesamt soll der EuGH im Verfahren nach Art. 267 AEUV neun Fragen beantworten (zu den Fragen s. Volltext hier). Die Fragen betreffen allerdings bei Weitem nicht nur die Haftung für WLANs. Die Antworten des EuGH könnten vielmehr auch die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung im Internet generell beeinflussen.

Im Kern des Vorlagebeschlusses steht allerdings die Auslegung der Haftungsprivilegierung in § 8 TMG (dazu Buch Rn. 209 ff.). Auf der einen Seite möchte das LG München I vom EuGH wissen, welche Voraussetzungen generell vorliegen müssen, damit sich ein Betreiber eines gewerblichen WLANs auf die Privilegierung berufen kann (insb. Fragen 1-3). Der nächste Komplex (Fragen 4-6) betrifft den Umfang der Privilegierung: Das LG München I möchte wissen, ob die Privilegierung auch Unterlassungsansprüche umfasst (Frage 4), was der BGH in ständiger Rechtsprechung abgelehnt hat.

Letztlich geht es um die Frage der sog. Prüfungs- und Überwachungspflichten (Fragen 7-9). Das LG München I sieht die mit dem Betrieb eines offenen WLANs einhergehende Anonymität als gefährlich an (s. zum Internet als Gefahrenquelle Mantz, JurPC 95/2010) und fragt, ob vom Betreiber eines offenen WLANs überhaupt Maßnahmen verlangt werden können – und welche.

Das Verfahren hat eine hohe Bedeutung für die zukünftige Bewertung der mit dem Betrieb eines WLANs einhergehenden Rechtsfragen. Insofern ist eine Klarstellung durch den EuGH zu begrüßen. Mit einer Entscheidung wird allerdings frühestens Ende 2015 zu rechnen sein. Unklar ist, ob der deutsche Gesetzgeber vor diesem Hintergrund noch eine Neuregelung anstreben wird. Wir werden hier weiter über den Gang des Verfahrens berichten

S. zum Vorlagebeschluss des LG München I auch