BGH bestätigt: IP-Adressen können nach § 100 TKG für 7 Tage gespeichert werden

Im Jahr 2011 hatte der BGH entschieden, dass dynamische IP-Adressen durch den TK-Anbieter anlasslos zum Zwecke der Missbrauchsbekämpfung für bis zu 7 Tagen gespeichert werden dürfen (BGH, Urt. v. 13.1.2011 – III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 (1510). Das OLG Frankfurt hatte sich dieser Auffassung angeschlossen (OLG Frankfurt, Urt. v. 28.8.2013 – 13 U 105/07, ZD 2013,614). Im Wege der Revision gegen dieses Urteil des OLG Frankfurt musste der BGH sich erneut mit der Frage befassen – und hat seine Einschätzung von 2011 nachdrücklich bestätigt (BGH, Urt. v. 3.7.2014 – III ZR 391/13, Volltext).

Insbesondere hatte der Revisionsführer vertreten, dass SPAM keine „Störung“ i.S.d. § 100 TKG darstelle, da die Systeme des TK-Anbieters ohne Beeinträchtigung funktionierten. Die Beeinträchtigung erfolge vielmehr erst durch die Entscheidung weiterer TK-Anbieter, die IP-Adressen, von denen der SPAM ausgeht, zu sperren. Das sei aber keine Störung des technischen Systems.

Dieser Auffassung hat der BGH eine Absage erteilt und versteht die Begriffe des „technischen Systems“ und der „Störung“ weit:

[Es] kommt eine Störung des „technischen Systems“ nach § 100 Abs. 1 TKG nicht nur in Betracht, wenn die physikalische Beschaffenheit der für die Telekommunikation verwendeten Gerätschaften verändert wird. Vielmehr liegt nach dem Zweck der Vorschrift eine Störung des Systems auch vor, wenn die eingesetzte Technik die ihr zugedachten Funktionen nicht mehr richtig oder vollständig erfüllen kann (Gramlich in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 100 Rn. 16 [Stand: 8/08]; Kannenberg in Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl., § 100 Rn. 6 f; Mozek in Säcker, TKG, 3. Aufl., § 100 Rn. 7). Entgegen der Ansicht der Revision tritt eine Funktionseinschränkung des technischen Systems der Beklagten auch dann ein, wenn einzelne ihrer IP-Nummern-bereiche von anderen Internetdiensten gesperrt werden. In diesem Fall sind die von diesen Anbietern unterhaltenen Web- und Mailserver für die Kunden der Beklagten nicht mehr erreichbar. Damit können deren technischen Einrichtungen und Systeme nicht mehr ihre Aufgabe erfüllen, den Nutzern den uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen öffentlichen Angeboten im Internet zu verschaffen, wozu sich die Beklagte gegenüber ihren Kunden verpflichtet. Unmaßgeblich ist, dass die bei der Versendung von Schadprogrammen, Spams und dergleichen aus dem Netz der Beklagten drohende Sperrung ihrer IP-Kontingente durch andere Anbieter auf deren autonomer Entscheidung beruht. Die Blockierung der Nummernbereiche wird in diesen Fällen durch die aus der technischen Sphäre der Beklagten stammenden Missbräuche des Internets herausgefordert und stellt in der Regel eine verständliche und angemessene Reaktion der anderen Dienstanbieter zum Schutz ihrer Anlagen und Nutzer dar.

Weiter setzt sich der BGH mit Einwendungen aus dem Bereich des europäischen Sekundärrechts und auf Basis des Vorratsdatenspeicherungsurteils des EuGH (Urt. v. 8.4.2014 – C-293/12 u.a. – Digital Rights Ireland Ltd. u.a., BeckRS 2014, 80686) auseinander, verwirft diese aber.

BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12: BearShare – (Keine) Auswirkungen für WLAN-Hotspots

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Januar zur Frage der Haftung des Internetanschlussinhabers für die Handlungen vom Familienmitgliedern über das heimische WLAN entschieden (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, Volltext). Die Urteilsgründe sind aber kürzlich erschienen.

1. Fall

In dem Fall ging es um eine ähnliche Konstellation wie schon Ende 2012 in der Morpheus-Entscheidung (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12) und um einen anderen Fall als BGH „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565). Diese letzten beiden Entscheidungen führt der BGH nun fort.

Der Beklagte war Inhaber eines Internetanschlusses. U.a. hatte sein volljähriger Stiefsohn Zugriff über das heimische, gesicherte WLAN hierauf und damit auch auf das Internet. Über den Anschluss wurde mittels der Filesharing-Software BearShare eine Urheberrechtsverletzung begangen. Der verletzte Rechteinhaber mahnte den Beklagten als Anschlussinhaber ab, verlangte Schadensersatz, Unterlassen und Abmahnkosten und erhob anschließend Klage. Der Beklagte verteidigte sich damit, dass die Rechtsverletzung durch seinen Sohn begangen worden sei.

Der BGH wies die Klage ab. Er argumentierte, dass der Anschlussinhaber seine sekundäre Darlegungslast erfüllt habe. Eine Pflicht zur Belehrung des Stiefsohnes habe der Anschlussinhaber nicht gehabt.

2. Folgerungen für WLAN-Hotspots?

Für den Betreiber eines öffentlichen WLAN-Hotspots hält das Urteil wenig Neues bereit. Hervorzuheben ist nur, dass der BGH noch einmal klargestellt hat, dass den Anschlussinhaber keine Beweislast im Hinblick auf die Mitnutzung des WLANs durch Dritte trifft, sondern eben nur eine sekundäre Darlegungs- und damit Erschütterungslast (dazu im Buch Rn. 248).

Im Hinblick auf die Frage nach der Störerhaftung des Betreibers eines öffentlichen WLAN-Hotspots ergeben sich keine Neuerungen. Der BGH hat dies ausdrücklich offen gelassen. Weiterhin fehlt es daher an einer letztinstanzlichen Entscheidung zu dieser Frage. Die bisherige Instanzrechtsprechung zeigt aber deutlich, dass eine Haftung des Betreibers eines WLANs aufgrund § 8 TMG und der Frage der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Überwachungspflichten praktisch ausgeschlossen ist (eingehend im Buch Rn. 223 ff.).

Eine eingehendere Analyse finden Sie im Blog Offene Netze und Recht.

3. Hinweis in eigener Sache

Es ist zwischenzeitig die Frage gestellt worden, ob das Urteil des BGH die Aktualität des Buchs „WLAN und Recht“ beeinflusst. Dies ist nicht der Fall. Das Urteil BGH BearShare ist im Buch WLAN und Recht – anhand der Pressemitteilung des BGH vom 8.1.2014 – eingearbeitet worden. Außerdem hat das Urteil die darin enthaltenen Ausführungen bestätigt.